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Felicitas Bonk: Das denkt meine Generation über Nachhaltigkeit

Unter der Schirrmherrschaft der Initiative bereichsübergreifendes Studentenpraktikum: unseren Nachwuchs gewinnen und fördern – innovative nachhaltige Baustoffforschungsideen umsetzen – gemeinsames Lernen, welche Dr. Tina Oertel und Christian Mengel ins Leben riefen, absolvierte die Erstsemesterstudentin Felicitas Bonk ein Praktikum in der Forschung und Entwicklung bei Sievert. Hier erzählt sie, was ihre Generation zum Thema Nachhaltigkeit zu sagen hat.

Viel Freizeit in den Sommerferien nach dem Abitur bringt so einiges auf die Bucket-List meiner Altersgenossen: allem voran Reisen, Nächte durchfeiern oder einfach nur Erholung. Was soll ich sagen, auf meiner persönlichen To-Do-Liste prangte in großen Buchstaben das Zauberwort: Praktika. Während andere vielleicht ein Gähnen unterdrückt hätten, habe ich mich auf diese Zeit gefreut. Außerdem macht sich so ein Praktikum hervorragend, um seinem Experimentiergeist freien Lauf zu lassen. Den metaphorischen Chemiebaukasten dazu stellte mir das Labor der Sievert SE in Bernburg. Ich hatte das Glück, mit vielen spannenden Projekten beauftragt worden zu sein, die in dieser Form vorher noch nicht realisiert wurden. Das Hauptaugenmerk lag auf dem Thema Nachhaltigkeit. 

 

Nachhaltigkeit – was bedeutet das für mich?

 

Diese Frage wurde mir ganz zu Beginn meines Praktikums im Zusammenhang mit meiner Bewerbung gestellt. Das konkret zu beantworten, fällt mir sehr schwer. Möglicherweise ist das Thema zu schwammig, um klare Definitionen geben zu können. Vielleicht ist es auch einfach zu vielschichtig. Schließlich kann man in nahezu jedem Bereich unseres Lebens Aspekte finden, die man aufgrund ihrer Nachhaltigkeit beurteilen könnte. Von der eigenen Ernährungsweise über das Shoppingverhalten bis hin zu den Materialien, aus denen die eigenen vier Wände gebaut sind – überall gibt es schonende und weniger schonende Methoden, der Umwelt gegenüberzutreten.

Carl von Carlowitz prägte den Begriff, indem er sinngemäß formulierte, dass nur so viele Ressourcen aus der natürlichen Umgebung entnommen werden dürften, wie anschließend wieder nachwachsen könnten. Obwohl er dies maßgeblich auf die Forstwirtschaft bezog, bin ich der Meinung, dass man dies als grundlegendes Prinzip verstehen kann, um diese Erde möglichst lang als Lebensraum nutzen zu können.

 

Felicitas arbeitet mit ihren Kolleginnen bei Sievert an den nachhaltigen Ideen der Zukunft 

"Es war mir nie egal, Plastikverpackungen in die Landschaft zu schmeißen, sich dreimal am Tag von der Bushaltestelle nach Hause fahren zu lassen oder mindestens zweimal im Monat neue Klamotten zu kaufen." 

Meine Generation wurde in den extremen medialen Überfluss hineingeboren, das Internet florierte. Neben mehr oder weniger sinnvollen Videospielen, für die man sich im besten Fall das Smartphone seiner Eltern auslieh, im schlimmsten Fall ein eigenes besaß, gab es viel mehr gefragte und ungefragte Informationen. So auch über die weniger positiven Dinge. Natürlich kann ich nur von meinen eigenen Erfahrungen berichten, doch in vielen Büchern, Filmen oder Serien kam ich nicht um den Klimawandel, Naturkatastrophen oder Armut herum.

Sicherlich wirkt dies auf jedes Kind anders und es geht auch immer darum, wie Eltern mit solchen Themen umgehen. Trotzdem hat sich diese frühkindliche Bildung eines schlechten Gewissens in meinem Fall nicht mehr abschütteln lassen. Es war mir schlichtweg nicht egal, Plastikverpackungen in die Landschaft zu schmeißen, sich dreimal am Tag von der Bushaltestelle nach Hause fahren zu lassen oder mindestens zweimal im Monat neue Klamotten zu kaufen. Das ist es bis heute nicht.

Wenn man mit diesem Mindset der unerschöpflichen Ressourcen ganze Generationen erzieht, so kann sich der Gedanke an Nachhaltigkeit gar nicht erst etablieren. Mit „Erziehung“ meine ich nicht Eltern oder Schulen, ich spreche von psychologisch feineren Methoden. Dass Gruppenzwang oder Neid gerade bei jungen Menschen schamlos von Werbekampagnen ausgenutzt wird und nach und nach lauter kleine Massenkonsumenten herangezüchtet werden, halte ich für einen Skandal. Und nichts anderes passiert in dieser Gesellschaft, vielleicht in Deutschland weniger schlimm als in anderen Regionen der Welt.

 

"Mein Wunsch für die Zukunft ist es, den scheinbar nie endenden Konsum zu reduzieren. Für ein maximales Wirtschaftswachstum ist dieser Planet nicht länger ausgelegt." 

 

 

Damit meine ich nicht, dass nun alle Menschen wieder in Höhlen zurückkehren, um mit Fellen bekleidet auf die Jagd zu gehen. Vielmehr reicht es schon, sich die Frage zu stellen, was man im Leben wirklich braucht. Wie sinnvoll ist es, sich Dinge neu zu kaufen, nur um der Neuheit willen? Wie viele Smartphones brauche und benutze ich wirklich? Muss ich alles doppelt und dreifach in Plastik verpacken? Die Verantwortung dafür liegt meiner Meinung nach sowohl bei Konsumenten als auch Produzenten. Weder dem einen noch dem anderen soll hier die alleinige Schuld zugeschoben werden, jedoch wäre es schön, wenn beide Parteien sich gemeinsam an der Problemlösung beteiligen könnten, damit der Standardspruch „Ich allein kann ja sowieso nichts ändern“ mehr an Bedeutung verliert.

Was ich in diesem Praktikum über Baustoffe und deren Vereinbarkeit mit Gedanken der Nachhaltigkeit gelernt habe, ist mit Sicherheit mehr als die meisten meiner Kommilitonen im Studiengang Umweltingenieurwissenschaften bisher in Erfahrung bringen konnten. Nicht zuletzt daran beteiligt war Sievert, doch besonders unterstützten mich Dr. Tina Oertel und Christian Mengel in meiner siebenwöchigen Reise durch das Labor Bernburg.

Der erste Eindruck war überwältigend, das lässt sich nicht bestreiten. Nicht nur, dass ich nicht einfach auf dem Flur stehengelassen wurde, mit Anweisungen über die Funktionsweise der Kaffeemaschine und des Kopierers – ich bekam gleich in den ersten Tagen sozusagen die volle Verantwortung für vier verschiedene Projekte zur nachhaltigen Baustoffentwicklung, alle initiiert von Frau Dr. Oertel und Herrn Mengel. 

 

 


Felicitas fragt sich nicht nur bei gesellschaftspolitischen Themen, was hinter der Fassade steckt 

 

 

In diesem Sinne verstand ich auch, was es mit dem Nachhaltigkeitsgedanken bei Sievert auf sich hatte, denn über diese Projekte hinaus wurde mir versichert, dass auch nach meinem Praktikum meine Ergebnisse weiter in der Forschung und Entwicklung nachhaltiger Baustoffe verwendet werden sollten. Das macht schon ein wenig stolz. Und ein klitzekleines bisschen Angst davor, die Probekörper ein paar Tage zu lang im Trockenschrank gelassen zu haben, oder andere kleine Schnitzer im Labor, die in den ersten Tagen passieren, wenn man noch nie im Leben einen Betonmischer bedient hat oder ähnliche Tätigkeiten.

Seit dem ersten Freitag meines Praktikums bin ich persönlich ein großer Fan des „Technik-Ticker“, quasi der Inbegriff für neue Ideen und Anregungen. Von Fassadenbegrünung über Wärmedämmung bis hin zum Holz als bisher stärksten nachhaltigen Baustoff, war alles dabei. Man merkt, dass Menschen dahinterstehen, die sich wirklich Gedanken gemacht haben, sodass bestimmte Themen nicht zu kurz kommen. Ich bin der Meinung, dass genau solche Plattformen wichtig sind, um sich mehr Schritte auf eine nachhaltige Zukunft zuzubewegen.

Eine kleine Anekdote dazu: Kurz bevor ich im Labor eine Versuchsreihe für einen neuartigen abbaubaren Baustoff starten sollte, befragte ich zu Recherchezwecken eine künstliche Intelligenz und bat sie um eine Prognose über den möglichen Erfolg. Sie sagte mir einen klaren Misserfolg voraus, das genutzte Material eigne sich nicht zum Bauen, ich solle mich auf herkömmliche Baustoffe besinnen. Plot Twist: Im Endeffekt ergaben sich ziemlich spannende Eigenschaften, mit denen wir als Team so nicht gerechnet hätten; auch dieses Material wird als Baustoff weiter untersucht.

 

Und wie geht es weiter? 

 

Wir können mittlerweile aus den verrücktesten Dingen etwas bauen: Wandpaneele aus Pilzen, Häuser aus dem 3D-Drucker, Stahlbeton ohne Stahl, um nur einige zu nennen. Ich möchte wetten, dass hinter vielen solcher neuen Entwicklungen Geschichten wie diese stecken. Oft gewinnen noch traditionelle Meinungen, die sich auf bisherige Erkenntnisse stützen und vielleicht ungewollt die Augen vor Neuem verschließen. Keine Scheu vor neuen Ideen – das ist es, was die Baustoffbranche meiner Meinung nach braucht, um die Umweltschutzproblematik nach und nach zu lösen. Also: Macht was draus. 

 

 

 

Autorin:

Felicitas Bonk studiert Umweltingenieurwissenschaften an der Uni Weimar. Die 18-Jährige kommt aus Sachsen-Anhalt und interessiert sich für nachhaltige Projekte in vielen Bereichen. Felicitas absolvierte bei Sievert ein studienvorbereitendes Praktikum mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit in Baustoffen in Kooperative mit F&E Fassadensysteme Karlstadt und dem Regionallabor Ost.