„Es braucht  Menschen, die Bock aufs Thema haben“

Christoph Klüsener ist seit 2023 Nachhaltigkeits manager bei Sievert. Hier spricht er über strategische Ziele, wo Luft nach oben ist, und über die wichtigste Ressource, die es braucht, um eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie zu implementieren: der Mensch. 

Sievert: Christoph, was macht ein Nachhaltigkeitsmanager eigentlich?

Christoph: Als erstes erarbeitet er eine Strategie, die zum Unternehmen passt. Er fragt sich: Wo steht Sievert heute und in 10 Jahren? Was sind die Stärken, wo kann Sievert einen Beitrag leisten in Sachen Nachhaltigkeit – immer in Einklang mit der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. 
Als Baustoffhersteller hat Sievert einen großen Hebel, denn gerade die Baustoffindustrie ist ein ressourcenintensiver Sektor. Hier werden eine Menge Rohstoffe darauf verwendet, um Menschen ein Zuhause zu bauen. Wenn wir jetzt alle diese Rohstoffe nochmals nutzen würden, also sinnvoll durch Rückbau recyclen und wieder verwerten, kann Sievert unheimlich viele Ressourcen einsparen. 

Sievert: Das klingt nach einem riesigen Transformationsakt. 

Christoph: Die Veränderung der Geschäftsaktivitäten hin zu mehr Nachhaltigkeit bedeutet nahezu immer eine Veränderung in der gesamten Wertschöpfungskette. Vom veränderten Einkaufsverhalten, Rohstoffen, bis hin zu konkreten Produktionsprozessen. Und dann braucht es ja noch einen Kunden, der bereit ist, diese Veränderung mitzutragen. 

Sievert: Ist das Nachhaltigkeitsmanagement also eine zentrale Schnittstelle im Unternehmen?

Christoph: Richtig. Und wir brauchen diese zentrale Stelle, um vom Kleinen ins Große zu kommen und wieder vom Großen ins Kleine, um uns davon ausgehend ein Gesamtbild zu schaffen. Das Nachhaltigkeitsmanagement muss sich dabei wie ein Netzwerk aufbauen, um intern Menschen zu finden, die Bock haben, an dem Thema zu arbeiten. Wenn wir den Energiebedarf senken wollen, können wir das in allen Abteilungen machen, also in der Logistik, den Werken, überall – da muss es jemanden geben, der sich damit beschäftigt. Am Ende müssen alle diese Fäden zusammenlaufen. Das klappt, wenn man Menschen findet, die das Thema nach vorne bringen wollen. Und die findet man bei Sievert überall. 

Sievert: Was haben Unternehmen davon, mehr auf Ressourcen zu achten? 

Christoph: Früher war das eine ideologische Geschichte, da dachte man, wir müssen jetzt endlich mal! Und ist übers Reden nicht hinausgekommen. Warum ist das Handeln so schwierig für die Menschen? Weil wir Gewohnheitstiere sind. Die Politik hat eine gute Grundlage geschaffen, die uns im Gegensatz zu früher zwingt, diese Komfortzone zu verlassen. Sie hat Anreize geschaffen, dass ein Unternehmen Wirtschaftlichkeit mit Nachhaltigkeit verbinden kann. Die EU macht Nachhaltigkeit anhand einer Taxonomie konkret messbar – und zwingt Unternehmen über die Transformation ihres Geschäftsmodells zu berichten anhand eines Nachhaltigkeitsberichts, der seit 2024 vorgeschrieben ist. Im Neubau oder der Sanierung finden diese EU-Taxonomie und die CSRD (Anmerkung: Corporate Sustainability Reporting Directive) ebenfalls Anwendung. Ein Baustoffhersteller wie Sievert muss eine enorme Menge an Nachhaltigkeitsdaten, wie den CO2-Fußabdruck eines Produkts oder Informationen über die Lieferkette zur Verfügung stellen. Das alles zwingt Unternehmen, sich mit diesen Themen zu beschäftigen und bietet enorme Chancen, das Geschäft nebenbei auch erfolgreicher zu gestalten. Unabhängig von dieser Regulatorik hat sich Sievert vor ein paar Jahren auf den Weg gemacht, die Weichen zu mehr Nachhaltigkeit zu legen. Das wird sich jetzt in den nächsten Jahren für Sievert auszahlen, das ist meine feste Überzeugung.

Wir haben ein Extended Leadership Team, das aus 11 Männern besteht und einer Frau, auch im Aufsichtsrat ist eine Frau und 5 Männer vertreten. Diese fehlende Parität ist zwar ein Branchenproblem, umso wichtiger, dass wir als Unternehmen den Bedarf für Veränderung erkennen, um diesen Missstand auszugleichen."

Christoph Klüsener, Nachhaltigkeitsmanager bei Sievert 

Fotos: Jürgen Klüsener

Sievert: Was sind die konkreten strategischen Überlegungen bei Sievert?

Unsere Unternehmensstrategie gliedert sich in drei Bereiche, den ökonomischen Zielen, den ökologischen Zielen und den sozialen Zielen, den sogenannten ESG-Kategorien. In diesen Bereichen finden sich jeweils Unterziele, die sich wiederum in konkrete Maßnahmen aufgliedern. Beispielsweise wollen wir unsere Produktion bis 2028 um 50 % der Treibhausgas-Emissionen reduzieren. Das ist ein sehr anspruchsvolles Ziel; es gibt keine Alternative zu fossilen Energieträgern, um die Temperaturen zu erreichen, die wir für unseren Trocknungsprozess für Sand und Kies brauchen. Wir werden mehr und mehr eigenen Strom erzeugen und unseren Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen erzeugen. Der wesentliche Anteil unseres Energiebedarfs kommt aus dem Stromverbrauch und dem Betreiben unserer Trocknungsanlagen zur Vorbereitung von Sand und Kies für unsere Trockenmörtel, das sind in etwa 95 Prozent. Um mit den Pariser Klimazielen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, im Einklang zu sein, bedarf es einer CO2-Reduktion um etwa 48 Prozent zum Referenzjahr 2023. Der Zeithorizont zur Maßnahmenumsetzung ist in unserer Unternehmensstrategie bis 2028 verankert. Diese Reduktion wird Sievert durch die Umstellung des Stromverbrauchs auf Ökostrom, ca. 19,8 Prozent, die Installation von Solaranlagen und Windkraftanlagen zur Unterstützung der Trocknungsanlagen durch CO2-neutrale Heizsystem – das sind 15 % – und die Verbesserung der Energieeffizienz in der Sievert Baustoffe und der Sievert Logistik mit 18 % erreichen.

 

Sievert: Wie sieht es in dem Bereich Soziales aus? 

Wir haben im Jahr 2024 ein Extended Leadership Team, das aus 11 Männern besteht und einer Frau, auch im Aufsichtsrat ist eine Frau und fünf Männer vertreten. Diese fehlende Parität ist zwar ein Branchenproblem, umso wichtiger, dass wir als Unternehmen hier den Bedarf für Veränderung erkennen, um diesen Missstand auszugleichen. Wir haben uns im ersten Schritt den Umweltthemen gewidmet und werden in den kommenden Monaten die strategischen Ziele im Bereich Soziales auf konkrete Maßnahmen runterbrechen. Wir müssen hier unserem Leitbild der Unternehmenskultur unbedingt Rechnung tragen: Wir schaffen dauerhafte Verbindungen. Das meinen wir, indem wir als Arbeitgeber den Menschen, die hier arbeiten, das Gefühl geben, mit Sievert eine langfristige Verbindung aufzubauen. Und wir schaffen für unsere Mitarbeiter die Möglichkeit, an einem langfristigen Thema zu arbeiten und wirklich etwas zu verändern – das ist ebenso Teil ein neues Geschäftsmodell, das Nachhaltigkeit als wichtigstes Kriterium für die Zukunft sieht. Bei der Befragung der Mitarbeiter wird übrigens deutlich, dass die Verbindung und Wertschätzung innerhalb des eigenen Team ein enormer Faktor ist, warum sich Menschen bei Sievert wohlfühlen.

 

 

 

"15 % des Umsatzes mit nachhaltigen Produkten zu machen, ist eines der Ziele, bei dem ich am meisten gespannt bin, ob uns diese enormen Anstrengungen gelingen werden."

 

Sievert: Was passiert davon jetzt schon? 

Christoph:  Als vor zwei Jahren das Werk Rosenau II aufgebaut wurde, haben wir an das Konzept, mit PV-Anlagen günstigen Strom zu erzeugen, schon gedacht. Gleichzeitig haben wir nach Alternativen für die Trocknungsanlage gesucht und eine Altholzverbrennung etabliert. So sind dort keine fossilen Energieträger mehr im Einsatz. Mit unserer Green Line auf Produktebene versuchen wir, die Komplexität der Nachhaltigkeit bei Baustoffen für Kunden zu vereinfachen. Wir haben anfangs neun Kriterien der Nachhaltigkeit für unsere Green Line definiert: Welches Produkt leistet überdimensional einen Beitrag in Sachen Nachhaltigkeit anhand dieser Kriterien? Neun Kriterien sind allerdings zu kompliziert für das erste Screening des Kunden. Heute sprechen wir über Klimaschutz, Ressourcenschutz, Wohngesundheit. Diese drei neuen Oberkategorien zeigt die Green Line transparent an. Zu jedem Produkt gibt es zusätzlich unterschiedliche Inhaltsstoffe und Materialien, die wir auf Nachhaltigkeitsdatenblätter transparent aufzeigen – damit lassen sich wichtige Förderungen beantragen und das QNG-Qualitätssiegel für nachhaltige Gebäude. Und zu guter Letzt haben wir ein eigenes Ökobilanzmodell etabliert, mit dem wir für nahezu jedes Produkt den CO2-Fußabdruck berechnen können. Diese Weichen stellen wir, um unseren Kunden die Möglichkeit zu geben, von der Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit zu profitieren. In Zukunft 15 % des Umsatzes mit überdimensional nachhaltigen Produkten zu machen, ist eines der Ziele, bei dem ich am meisten gespannt bin, ob uns diese enormen Anstrengungen gelingen werden.