"Das machen wir"

Auch ein 3D-Haus aus dem Drucker wird von Menschen geplant – schließlich sollen Menschen darin wohnen. Im Interview mit Sievert erzählt Jasmin Baur, Bauleiterin und Besitzerin des neuen 3D-Hauses in Witzighausen, welches in Zusammenarbeit mit Rupp, Sievert und M3DUSA entstand, von den Herausforderungen und Chancen eines solchen Projekts. 

Baur mit Anhang (Bilder: Jasmin Baur)

Sievert: Frau Baur, wie genau ist das Projekt entstanden?

Baur: Ich besitze schon etwas länger ein Grundstück. Mein Chef Fabian bei Rupp hatte nachgefragt: Sollen wir darauf ein 3D-Haus aus dem Drucker bauen? Die Baugenehmigung hatten wir schon länger, aber ich habe immer gezögert. Die Bauzinsen haben mir Sorgen gemacht. 
Im April 2024 haben wir die Entscheidung getroffen, das Projekt zu machen. Jetzt mussten wir schnell alles mit dem Notar und der Bank klären. Im Juni sind schon die Bagger angerollt. Im Juli hatten wir den Spatenstich, dann kam der Gebäudedrucker.

„Jetzt oder nie. Das machen wir.“

Sievert: Wie lange hat das Projekt insgesamt gedauert?

Baur: Es gab im Prozess ein paar Verzögerungen. Das ist normal in der Vorphase, da geht hier und da mal ein Teil kaputt. Im August gibt es dann wiederum die Handwerksferien. Teils funktionierte das Material nicht so wie wir wollten, aber wie das so ist: Wenn‘s läuft, dann läuft‘s. Manchmal eben auch bergab. 

Sievert: Der 24-Stunden-Gebäudedruck ist also reine Utopie?

Baur: Ne, das nicht. Die effektive Druckzeit war trotzdem nur 7 Wochen. Wenn alles funktioniert hätte, wäre das supercool gelaufen. Aber man muss dazwischen mit den kleinen Problemen klarkommen. Das ist die Kreativität, die wir auf dem Bau brauchen. Es ist eben das Handwerk, natürlich darf da mal was nicht funktionieren. Keiner von uns ist jederzeit voll funktionsfähig, wir sind Menschen. Es ist gut, dass man einen Plan hat, aber der bleibt nicht immer stehen. Ende Juli ist der Drucker zum ersten Mal gelaufen, abgebaut war er Anfang Oktober. Das ganze Projekt dauerte also 2 ½ Monate.

Sievert: Wie arbeitet der Drucker genau?

Baur: Der läuft länger als 8 Stunden, mehr als die menschliche Arbeitszeit. Unser Team vom Gebäudedruck war immer dabei. Denn der Drucker läuft nicht allein weiter, da kann es passieren, – wenn die Maschine gerade gut läuft und das Material perfekt ist – dass nicht um 17 Uhr Feierabend gemacht wird. Ich habe oft von den Nachbarn zu hören bekommen: Ist das normal, dass der abends um acht noch läuft? Aber wenn die Maschine arbeitet, dann arbeitet die Maschine. Wenn’s läuft, muss es weiterlaufen. Du weißt nie, wie am nächsten Tag das Wetter ist, was mit dem Material passiert – da nimmt man alles so lange wie möglich mit. Auch bevor der Drucker täglich neu druckt, müssen viele Vor- und Nacharbeiten verrichtet werden. Es muss beispielsweise der Druckkopf gereinigt werden, der Beton muss abgedeckt werden. Auch muss man bedenken: Es war während des Projekts Hochsommer. Da kommt öfter mal ein Gewitter auf, das kann man nicht im Container abwarten, sonst verstopft die Düse im Drucker. Ich war einmal bei einem Gewitter dabei, da war mir dann egal, ob ich eine Jeans anhatte. Da sind wir gerannt und haben die frisch gedruckten Wände abgedeckt.

„Bauen passiert mit menschlichen Köpfen und Händen. Das ist nicht nur die Maschine. Die Maschine ist Entlastung und Unterstützung."

Sievert: Was ist dann der Unterschied zum Rohbau?

Baur: Ob ich den einen Ziegel noch schneide oder nicht, ist bei einem Rohbau zeitlich egal. Aber wenn das Material im Drucker läuft und das Wetter passt, dann denkst du dir: „Eine Runde geht noch!“ Das ist Motivation pur. Das hat man im Team gemerkt. Wenn es gelaufen ist, wollten alle weitermachen. Das war ein Aufschwung. Ich habe als Bauherr immer gesagt, ich spreche lieber niemanden an, jetzt ist hier höchste Konzentration.

Sievert: Wird es eine Zukunft geben, in der alle Häuser aus dem 3D-Drucker kommen?

Baur: Ich glaube eher, dass wir damit die Berufe von morgen schaffen. Das ist nicht mehr die klassische Einordnung nach Rohbauer oder Betonbauer: Hier wird die Verfahrenstechnik mit eingebracht. Jemand, der sich nicht entscheiden kann, ob er Handwerk machen will, oder Robotik, der kriegt beides. So können wir diverse Vorlieben vernetzen.

„Das Projekt vernetzt die Maschinerie und den menschlichen Personaleinsatz. Das geht Hand in Hand, nicht, dass man hier das ein oder andere ersetzen kann.“

Bauleiterin Baur weiß um die Chancen eines Objekts aus dem Drucker

Sievert: Würden Sie jeder Person empfehlen, in einem 3D-Haus zu wohnen?

Baur: Wenn du was haben möchtest, was nicht jeder hat? Wenn du bereit bist, die Möbel anders zu stellen und freier zu denken? Dann definitiv. Jeder denkt, weil es von außen rund ist, ist es auch innen rund. Das macht es manchmal schwieriger, ein Sofa oder einen Schrank zu stellen, weil es das passende Produkt aktuell vielleicht nicht gibt. Aber durch die Betonierung im Innenbereich haben wir gerade Wände als Stellfläche geschaffen. Es ist eine Frage der Ästhetik; es ist und bleibt ein Designobjekt: Das Haus lebt von einem freien, offenen Grundriss. In den letzten Jahren kam der Wandel von großen Wohn- und Essküchen. Alles soll heute ein Raum sein, das war in den 50er Jahren anders, kleinteiliger. Heute wollen wir alle viel zu große Räume haben – aber wie groß muss ein Kinderzimmer sein? Auch Dachschrägen bringen Gemütlichkeit, wir haben uns ja auch früher in Höhlen zurückgezogen.

Sievert: Also ist ein 3D-Haus ein Projekt für Designverliebte?

Baur: Ich zum Beispiel bin eher pragmatisch veranlagt. Ich hatte schon meine Probleme mich in das Runde einzudenken. Mittlerweile weiß ich: Durch die unterschiedlichen Kuben hat jede Zone jetzt ein Herzstück, statt wie sonst das gesamte Haus nur eines. Da kann man mit Eleganz und Gemütlichkeit spielen. Außerdem hallt es nie richtig. Aber es muss auf jeden einzelnen individuellen Eigentümer passen. Ich habe das Haus so geplant, dass ich es selbst schön finde – und frage manchmal daheim: Sollen wir nicht doch einziehen? Aber ich sehe mich nicht jedes Wochenende im Garten werkeln.

Das Herzstück ist für Baur alles rund um die Treppe 

Sievert: Wer lebt aktuell im Haus?

Baur: Wir sind noch auf Mietersuche. Viele wissen nicht, wie man ein halbrundes Wohnzimmer einrichtet. Wie sieht das aus? Funktioniert das überhaupt? Aber nur, weil das Haus von außen rund ist, sind die Wände nicht auch innen rund. Das Haus hat viele gerade Wände und es passen 3-Meter-Schränke rein. Das einzige Problem wäre vielleicht ein übergroßes Sofa. Das hält aber viele zurück, das Haus als Mietmöglichkeit zu sehen.

Sievert: Ist der 3D-Druck eine ressourcenschonende Bauweise?

Baur: Wenn die Leute sich trauen würden, solche Projekte großflächiger anzugehen, würde das viele Probleme lösen. Die Pionierarbeit, die wir leisten müssen, ist, dass das 3D-Haus nicht nur gut ausschaut, sondern auch bewohnbar ist. Viele sind zurückhaltend, beobachten nur, das ist für mich die deutsche Mentalität. Niemand will Vorreiter sein, sondern warten, bis es bei anderen funktioniert hat. Da bin ich anders. Ich denke mir: Ja klar geht das. Und: Ich würde es wieder tun.

Sievert: Taugt der Beton denn was trotz Recyclingmaterial?

Baur: Das ist das Schönste: Es handelt sich um normalen Beton, der wieder verwertet wurde. Wir sagen immer, die Baubranche produziert so viel CO₂. Dass wir jetzt ein Mittel gefunden haben dem entgegenzusteuern – das finde ich einfach cool. Das verleiht dem Handwerk einen positiven Ruf. Auch das Material ist ein Erlebnis. Wir haben im Haus nicht alle Wände verputzt. Wir wollten unbehandelte Wände, so erzählt jede Wand eine Geschichte. Natürlich ist der Beton nicht so fein und glatt, wie man Beton kennt. Aber er ist genauso hart, er ist recycelt, er hat die gleichen Eigenschaften. Die Generation meiner Eltern sagt immer: Du darfst die Wände nicht verputzen oder streichen, da siehst du das Handwerk. Meine Generation fragt dagegen: Kann man die Wände wirklich uneben lassen?

„Aber das ist doch die Chance beim 3D-Druck. Wir gehen damit weg vom Perfektionismus. Und Handwerk darf wieder Handwerk sein.“

Zur Bauleiterin

Nach dem Architekturstudium (Beginn: 2010) an der Hochschule Biberach sammelte Jasmin Baur erste Berufserfahrungen in Architekturbüros. 2020 wechselte sie zur Rupp Gruppe als Architektin mit Schwerpunkt Planung. Schon während des Studiums entwickelte sie eine Faszination für die Abläufe und Koordination rund um die Baustelle – und übernahm bei Rupp zunehmend Aufgaben in der Bauleitung. Heute ist sie als Leitung Bauleitung Schlüsselfertigbau für die Umsetzung komplexer Bauprojekte verantwortlich.